„Abgekoppelt vom konjunkturellen Geschehen“CEO Dr. Alexander Bünz gibt Einblicke in die aktuellen Innovationsprojekte von EXPRESSO
Bereits zum vierten Mal erhält EXPRESSO dieses Jahr das Top 100-Siegel als Innovationsführer des deutschen Mittelstands. Ausschlaggebend dafür ist vor allem die hohe Kontinuität, mit der der deutsche Hersteller sein Portfolio an intelligenten Produkt- und Systemlösungen für die Intralogistik, die Logistik und den Handel weiterentwickelt. Lesen Sie im Interview mit Geschäftsführer Dr. Alexander Bünz, welche Innovationsprojekte im Stammwerk Kassel derzeit Priorität haben und mit welchen Erwartungen das Unternehmen in die Zukunft blickt.
Herr Dr. Bünz, wie entwickelt sich EXPRESSO aktuell und was erwarten Sie für 2025?
Bünz: Wir haben die Corona-Jahre mit all ihren Nachwehen gut bewältigt und sehen uns derzeit in all unseren sechs Geschäftsbereichen produkt- und entwicklungstechnisch bestens aufgestellt. Für dieses Jahr rechnen wir mit einem moderaten Umsatzplus und 2025 wollen wir den Umsatz im zweistelligen Prozentbereich steigern. Mit größeren Investitionen in die eigene Produktion halten wir uns im Moment zurück. Aber sobald sich die wirtschaftspolitische Großwetterlage in Europa aufhellt, starten wir hier durch.
Bedeutet das auch, dass Sie ihre Innovationspläne auf Produktebene zurückgefahren haben?
Bünz: Nein, auf keinen Fall. Unser Innovationsmanagement ist seit je her abgekoppelt vom konjunkturellen Geschehen. Kurz- und mittelfristig werden beispielsweise sowohl unsere Geschäftsbereiche Service & Digital Solutions und Smart Retail als auch die beiden Sparten Handtransportgeräte und Angetriebene Handhabungs- und Transportsysteme mit Neuentwicklungen in den Markt gehen.
Nicht all unsere Leser kennen Ihr Portfolio en detail – können Sie daher bitte konkretisieren, mit welchen Neuheiten die Anwender in Industrie und Handel rechnen dürfen?
Bünz: Für den Handel werden wir schon bald eine schlanke Retail-Lösung präsentieren, die wir Independent Payment Process – kurz IPP – getauft haben. Das ist eine Lite-Version unseres intelligenten Einkaufswagens SmartShopper, die systemunabhängig arbeitet und sich einfach in die Verkaufsprozesse eines Marktes integrieren lässt. Sie kombiniert Scanner-, Internet- und Bluetooth-Technik, erfordert vom Marktbetreiber einen nur minimalen Invest und lässt sich sowohl mit Einkaufswagen als auch mit Einkaufskörben betreiben. Es handelt sich hierbei um eine flexible, niederschwellige digitale Lösung, die rasch Akzeptanz finden dürfte.
Wird diese smarte Lösung das SmartShopper-System ablösen?
Bünz: Aber nein! Erst im Februar haben wir auf der EuroCIS in Düsseldorf die neue Modellpalette unserer SmartShopper-Familie vorgestellt. Sie enthält maßgeschneiderte Varianten für den Lebensmittelhandel, für Getränke- und Drogerieketten, für Bau- und Cash+Carry-Märkte und andere Retailsegmente. Stets handelt es sich dabei um mobile Komplettlösungen mit Handscanner, Farbdisplay und einer fahrbaren Plattform mit mehreren Wägezellen, die die eingelegten Waren grammgenau auf Plausibilität prüfen und damit Inventurdifferenzen für den Händler signifikant senken. Verknüpft ist hier alles über eine netzwerkfähige Anwender- und Analysesoftware.
Wie reagieren denn die Markbetreiber auf die Einführung der neuen Varianten?
Bünz: Die ersten Märkte haben das SmartShopper-System installiert und namhafte Handelsketten sehen darin einen Königsweg zur Modernisierung der Einkaufs- und Absatzprozesse in ihren Märkten. In Kooperation mit einem Start-up aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz entwickeln unsere Retail-Spezialisten derzeit zudem eine systemische Langfrist-Perspektive. Fernziel ist dabei ein KI-gestützter Einkaufswagen, der die nächste Generation des SmartShoppers darstellt. Mehr möchte ich dazu noch nicht preisgeben. Interessant dürfte an dieser Stelle auch sein, zu welchen Erkenntnissen unser Geschäftsbereich Service & Digital Solutions bei der nächsten Entwicklungsstufe von EXPRESSO Connect kommt.
Was verbirgt sich denn hinter dieser Produktbezeichnung?
Bünz: EXPRESSO Connect ist eine flexible IoT-Lösung, die kleinen und mittelständischen Firmen einen kostengünstigen Weg in die Digitalisierung ermöglicht. Es ist ein modulares, kurzfristig einsatzbereites und aufgabenspezifisch adaptierbares Gateway, das die Einsparpotenziale intralogistischer Abläufe werksübergreifend transparent macht. Ein Kunde konnte damit beispielsweise an nur einem Tag das Monitoring von 12 Anlagen in Betrieb nehmen. Im Prinzip beruht EXPRESSO Connect auf der Erfassung und Übermittlung digitaler und analoger Informationen aller technischen Einheiten an ein zentrales Datenportal und deren Analyse, Dokumentation und Visualisierung auf einem Dashboard. Das System kann unabhängig von bestehenden Netzwerken, fabrikatsneutral und werksübergreifend arbeiten. Es lässt sich sowohl für die Zustandsüberwachung von Geräten und Anlagen im Rahmen des Condition Monitoring einsetzen als auch für die vorausschauende Instandhaltung.
Was tut sich denn im Geschäftsbereich Handtransportgeräte – also etwa auf dem Gebiet der Sackkarren?
Bünz: Hier entwickeln wir gerade eine kostengünstige E-Mobility-Sackkarre. Sie verbindet die Aspekte Effizienz und Ergonomie, wird die Lastenbeförderung beschleunigen und durch ein integriertes Bremssystem den sicheren Warentransport selbst bei Gefälle ermöglichen. Ganz im Sinne der Modularität wird diese E-Drive-Lösung zudem so ausgelegt sein, dass sie auch das Nachrüsten älterer Sackkarren erlaubt. Prägend für das Tagesgeschäft in diesem Bereich ist zudem die stete Nachfrage nach kunden- und branchenspezifisch individualisierten Ausführungen. Das gilt im Übrigen auch für den Geschäftsbereich Angetriebene Handhabungs- und Transportsysteme, in dem unser flexibles Flurförderzeug lift2move den Ton angibt.
Können Sie an dieser Stelle etwas konkreter werden?
Bünz: : Unser mobiles Hebe- und Transportgerät lift2move – es zählt inzwischen zu den Deutschen Standards – steht in vielen Branchen im Zentrum betrieblicher Materialflussprozesse. Es ist in verschiedenen Grundausführungen lieferbar, lässt sich dank seiner modularen Konstruktion nahezu unbegrenzt konfigurieren und adaptieren, und ist zentraler Ausgangspunkt für viele Lösungen. Außerdem kann es an viele verschiedene Systeme zur Lastaufnahme angepasst werden und wird stetig weiterentwickelt. In der Ausführung als lift2move solution verfügt es beispielsweise übereine integrierte Fehlerdiagnose mit visueller Signalgebung, arretierbare Frontrollen und eine sensorbasierte Sicherheitsausstattung. Ist es außerdem mit dem Steuermodul Vertical Position Control (VPC) für den Hubmast ausgestattet, ermöglicht es das automatische und wiederholgenaue Anfahren von bis zu acht programmierbaren Höhen – etwa zum zielsicheren Regalbeladen, zum exakten Anfahren von Werkbänken oder zum präzisen Bedienen von Werkstückträgern. Aber auch der Geschäftsbereich Angetriebene Handhabungs- und Transportsysteme arbeitet unter dem Motto „Next Big Thing – NBT“ bereits an Zukunftsperspektiven, die weit über die Möglichkeiten des heutigen lift2move hinausreichen.
Das klingt spannend. Gestatten Sie uns hier noch einen tieferen Einblick?
Bünz: Wir denken hier an eine neue Art von intelligentem Flurförderzeug, dessen Funktionalität mehrere Technologien und Disziplinen miteinander vereint. Es wird wahrscheinlich Elemente und Komponenten der Modularität, der Digitalisierung, der Robotik, der Mechatronik, der autonomen Mobilität und der Handhabungstechnik integrieren. Zudem soll es sich sowohl stationär als auch mobil einsetzen lassen. Ein anderer Denkansatz verbindet die Kompetenzen unserer beiden Geschäftsbereiche Handtransportgeräte und Angetriebene Handhabungs- und Transportsysteme zur Entwicklung autonomer Catering- und Servicesysteme – etwa zum Einsatz in der Bahn, auf Passagierschiffen oder in Flugzeugen.
Wie es scheint, gibt es im Innovationsmanagement Ihres Unternehmens kaum Denkbarrieren?
Bünz: Für ein modernes Unternehmen wie das unsrige scheint mir das kaum anders denkbar. Deshalb ist unser Innovationsmanagement auch nicht nach starren Rastern kanalisiert, sondern lebt vom agilen Miteinander unserer Mitarbeitenden. Ich habe inzwischen die Erkenntnis gewonnen, dass dieses alltagsnahe Interagieren mitunter schneller zu Resultaten führt als von oben aufgesetzte Strukturen. Es orientiert sich nicht an formalen Standards, bedingt keine Lernphase und wirft kaum innere Widerstände im Unternehmen auf.
Herr Bünz, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Dr. Alexander Bünz: „Unser Innovationsmanagement ist nicht nach starren Rastern kanalisiert, sondern lebt vom agilen Miteinander unserer Mitarbeitenden.“
Quelle: www.expresso.de
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